Frédérique Constant gehört jetzt zu Citizen

« Es war sicherlich eine der Aufsehen erregendsten Nachrichten für die Uhrenbranche in den vergangenen Monaten: Am 26. Mai 2016 wurde – ohne Nennung eines Kaufpreises – bekannt, dass der japanische Uhrenkonzern Citizen die Frédérique-Constant-Gruppe mit den beiden Marken Alpina und Ateliers de Monaco erworben hat. Für die Transaktion gab es auf Seiten beider Beteiligter gute Gründe, doch wirft sie bei Marktbeobachtern auch Fragen auf. »

Ein Vierteljahrhundert Erfolgsgeschichte

Auf den ersten Blick handelt es sich bei Frédérique Constant und Citizen um zwei Unternehmen, die nicht viele Gemeinsamkeiten haben. Citizen ist einer der größten Uhrenhersteller Japans. Das 1918 in Tokio gegründete Unternehmen blickt zwar schon auf eine lange Tradition zurück, dürfte im Bewusstsein vieler Uhren-Kenner aber vor allem mit relativ preisgünstigen und in großen Stückzahlen produzierten Uhren präsent sein, wenngleich seine Angebotspalette seit jeher auch hochwertige und technisch innovative Produkte umfasst.

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Dabei ist der Name auch Programm: Denn der Überlieferung nach soll der Name Citizen vor allem den Anspruch zum Ausdruck bringen, erschwingliche Uhren für jedermann anzubieten.

Frédérique Constant hingegen ist ein vergleichsweise junges Unternehmen, das sich aber ganz in der Tradition der großen Schweizer Uhrenhersteller sieht. Gegründet wurde die Firma im Jahr 1988 als selbstständiges, unabhängiges Familienunternehmen von Aletta Bax und Peter C. Stas.

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Beide waren damals noch relativ jung und hatten sich schon zuvor neben ihrer beruflichen Tätigkeit mit der Konzeption eigener Uhren beschäftigt. Im Jahr 1992 war es dann soweit, dass sie ihre erste eigene Kollektion der Öffentlichkeit präsentieren konnten. Sie umfasste sechs verschiedene Modelle, von einem Genfer Uhrmacher hergestellt und von Schweizer Werken angetrieben. Damit begann eine rund 25-jährige Erfolgsgeschichte, mit der sich das Gründerpaar internationale Anerkennung bei Fachexperten, Kunden und nicht zuletzt auch bei etablierten Wettbewerbern erwarb.

Dynamisches Wachstum der Newcomer beeindruckt den Markt

Der Erfolg von Frédérique Constant ist umso beachtlicher, als es sich bei der Herstellung von Uhren um einen schon sehr dicht besetzten Markt handelt, in dem zahlreiche Anbieter sowohl lokal als auch weltweit miteinander konkurrieren.

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Dennoch erreichte das junge Unternehmen in den ersten 15 Jahren seines Bestehens jährliche Wachstumsraten von 25 bis 50 Prozent und beeindruckte die Fachwelt damit nachhaltig. Zuletzt wurden rund 150.000 Uhren im Jahr verkauft und Analysten schätzten den Jahresumsatz auf fast 200 Millionen Franken beziehungsweise rund 181 Millionen Euro. Die Mitarbeiterzahl liegt mittlerweile bei 170 Personen, und die Produkte des Hauses werden in beinahe 100 Ländern der Welt vertrieben.

Erfolgreich mit “erschwinglichem Luxus”

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor war dabei die Strategie, Swiss Made Luxusuhren zu vergleichsweise moderaten Preisen anzubieten, ohne dass die Kunden dabei auf beachtliche und oft trendsetzende Innovationen sowie anspruchsvolle technische Lösungen zu verzichten gehabt hätten. Dies zeigte sich schon bei der 1994 entwickelten Heart-Beat-Kollektion.

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Der Name spielt darauf an, dass die Modelle dieser Reihe jeweils eine Öffnung im Zifferblatt aufweisen, durch die sich die pulsierenden Bewegungen der Unruhspirale – die “Herzschläge” der Uhr – beobachten lassen. Im Zuge der seit den 1980er Jahren anhaltenden Renaissance der mechanischen Armbanduhren traf diese Lösung auf breite Resonanz und wird bis heute von zahlreichen anderen Herstellern imitiert.

Aufstieg in die Top-Liga: Manufaktur-Status

Einen besonderen Meilenstein in der Geschichte des Unternehmens stellt das Jahr 2004 dar. Damals brachte Frédérique Constant das zu dieser Zeit erstmals in Serie hergestellte Kaliber Heart Beat FC 910 auf den Markt. Entwickelt hatte es ein hausinternes Team gemeinsam mit acht Experten von der École d’Horlogerie de Genève, der Horloge Vakschool Zadkine und der École d’Ingénieurs de Genève. Mit diesem Eigenprodukt positionierte sich die Marke erfolgreich als Schweizer Uhrenmanufaktur und damit zugleich auch in der Top-Liga der Uhrenhersteller.

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Vier Jahre später, 2008, untermauerte die Manufaktur den damit verbunden hohen Anspruch an sich selbst durch eine Weltpremiere: das erste Armband-Tourbillon mit einem Silizium-Ankerrad. Gleichwohl blieb die Marke ihrer Preispolitik treu und behielt ihr hervorragendes Preis-Leistungsverhältnis bei, – und das bei einer Inhouse-Fertigungskompetenz, die etliche andere Hersteller von Luxusuhren nicht im selben Maße vorweisen können.

Warum wollten die Gründer verkaufen?

Angesichts dieser erfolgreichen Entwicklung ist die Frage berechtigt, was die Gründer zum Verkauf ihrer Firma veranlasst hat. Ein Mangel an Ideen oder nachlassende Innovationskraft war ganz sicher nicht der Grund. Denn erst im März 2016 hatte Frédérique Constant Fachexperten und Uhrenfans auf der Baselworld mit der weltweit günstigsten Uhr mit Manufakturwerk und ewigem Kalender überrascht. Auch die Entwicklung im Segment der Smartwatches hat das Unternehmen keineswegs verschlafen, sondern vielmehr mit der Horological Smartwatch einen absolut stilvollen und eigenständigen Beitrag dazu geleistet, der neueste Hochtechnologie kongenial mit traditioneller Schweizer Uhrmacherkunst verbindet.

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Die Gründe für den Verkauf dürften also in anderen Bereichen gelegen haben. Im Zusammenhang mit Bekanntwerden der Übernahme durch Citizen war von dem Gründerpaar zu hören gewesen, dass die Entscheidung beiden nicht leicht gefallen sei; in der eigenen Familie habe sich aber kein Nachfolger für die Übernahme der Manufaktur finden lassen. Einige Marktbeobachter verweisen zudem darauf, dass die eidgenössische Uhrenindustrie zurzeit auf den Beginn einer Krise zusteuere, was für verkaufswillige Eigentümer eines Schweizer Uhrenherstellers ein zusätzliches Motiv gewesen könnte, sich gerade jetzt – und nicht erst in zwei oder fünf Jahren – von ihrem Unternehmen zu trennen.

Citizen baut sein internationales Portfolio weiter aus

Für den Käufer Citizen passt der Erwerb von Frédérique Constant zweifellos gut zu der schon seit vielen Jahren verfolgten Multi-Brand-Strategie und zur bereits mehrfach erfolgreich praktizierten Expansion durch Zukäufe außerhalb Japans. Ein erster Schritt in diese Richtung war bereits 1958 erfolgt, als eine Zusammenarbeit mit der amerikanischen Marke Bulova begann.

Und in der Schweiz kauften die Japaner vor Frédérique Constant bereits die Manufaktur Arnold & Son sowie den Werkehersteller La Joux-Perret und erschlossen sich somit einen unmittelbaren Zugang zu schweizerischem Uhren-Know-how. Dies alles erscheint keineswegs unlogisch, denn immerhin handelt es sich dabei auch um einen der drei Hersteller Japans, die eigene mechanische Uhrwerke produzieren. Sofern sie nicht in Uhren aus dem eigenen Unternehmen verbaut werden, werden diese Werke unter dem Namen MIYOTA vermarktet.

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Dennoch bereitet die Entwicklung manch einem Liebhaber der Marke und auch einigen Vertretern der Genfer Uhrenindustrie gewisse Sorgen. Befürchtet werden ein Ausverkauf von eidgenössischer Fertigungskompetenz und Uhrentechnologie an die fernöstliche Konkurrenz und möglicherweise auch ein Bruch in der bislang so beeindruckenden Entwicklung Frédérique Constants vom absoluten Newcomer zur international anerkannten Schweizer Uhrenmanufaktur.

Personelle Kontinuität bleibt zunächst erhalten – Vertriebskanäle werden erweitert

Inwieweit diese Befürchtungen begründet sind, wird die Zukunft zeigen. Für eine gewisse Übergangszeit ist die personelle Kontinuität bei Frédérique Constant jedenfalls gesichert.

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Der Vertrag mit Citizen sieht vor, dass sowohl das Gründerehepaar Stas als auch das Management der drei erworbenen Marken für wenigstens fünf Jahre in ihren bisherigen Funktionen im Unternehmen tätig bleiben sollen. Ein Aufgeben des Schweizer Standorts und Kündigungen von Mitarbeitern im Zuge der Übernahme sind ebenfalls kein Thema. Geplant ist, die Vertriebskanäle künftig auch für die Produkte der Manufaktur Frédérique Constant zu nutzen, insbesondere in Japan und in den USA. Das soll weitere Umsatzsteigerungen ermöglichen. Des Weiteren hofft man im Hause Citizen auf “große Synergien”, die sich künftig aus dem Teilen von Infrastruktur und Technologien zwischen den verschiedenen Marken und Gesellschaften innerhalb des Konzerns ergeben sollen.

Weiterer Schweizer Uhrenhersteller verliert seine Eigenständigkeit

Für die Liebhaber der Uhren von Frédérique Constant bedeutet dies, dass sie sich um den Fortbestand “ihrer” Marke zunächst nicht zu sorgen brauchen. Allerdings werden einige von ihnen sich wohl erst noch an den Gedanken gewöhnen müssen, dass die oberste Führungsspitze der Manufaktur künftig nicht mehr in der Schweiz, sondern im fernen Japan sitzt und dass damit ein weiterer Schweizer Uhrenhersteller seine Eigenständigkeit an einen großen, internationalen Konzern verloren hat.

Das weckt Erinnerungen an den Sommer 2014: Seinerzeit hatte die französische Luxusgüter-Gruppe Kering, die früher als PPR firmierte, mit der Firma Ulysse Nardin eine der letzten unabhängigen Schweizer Uhrenmanufakturen übernommen. Verkäuferin war damals die aus Malaysia stammende Witwe Rolf W. Schnyders, der Ulysse Nardin im Jahr 1983 erworben hatte und 2011 verstorben war. Ulysse Nardin zählte beim Erwerb durch Schnyder nur noch drei Mitarbeiter und stand praktisch vor dem Aus, wurde von ihm jedoch wieder auf Kurs gebracht und konnte sich mit raffinierten Funktionen und mutigem Design erfolgreich am Markt repositionieren. Auch der Verkauf dieser Marke hatte in der Schweiz eine Skepsis und Besorgnisse ausgelöst, die sich – bislang jedenfalls – nicht bestätigt haben. Damals verlagerte sich die oberste Führungsebene allerdings “nur” nach Paris zu einem europäischen Luxusgüterkonzern – und nicht zu Citizen ins emotional deutlich fernere Japan.

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